Die Blosenburg
Unser Wohngebiet Erfurt-Südost zwischen den Neubaugebieten
"Herrenberg" und "Wiesenhügel" ist vielleicht das Einzige, das in seinem Territorium eine Wallburg aus urgeschichtlicher Zeit aufzuweisen hat. Die kahle Bergkuppe im Bereich Muldenweg, Cammermeisterweg, Tonndorfer Weg, Kirchhoffweg und Roter Stein ist unsere "Blosenburg", obwohl von einer einstigen Burganlage auf den ersten Blick nichts zu entdecken, und der Name den meisten Bürgern nicht bekannt ist.

Diese kleine Druckschrift will alle Erkenntnisse über unsere urgeschichtliche Wallanlage "Blosenburg" zusammenfassen.

Die Blosenburg - eine geschützte urgeschichtliche Wallanlage unterhalb des Neubaugebietes "Wiesenhügel"

In unserem Wohngebiet befindet sich eine Wallburg aus urgeschichtlicher Zeit. Dieser glückliche Umstand gibt uns die Möglichkeit, im Wohngebiet ein Stück natürliche Umwelt mit historischem Kulturdenkmal zu erhalten, das gleichzeitig zur Naherholung genutzt werden kann. Wie unser Foto (Abb. 1) zeigt, erkennen wir heute noch zwischen dem oberen Muldenweg und Cammermeisterweg ein Wiesengelände, das sich zu einer Bergkuppe anhebt und von zwei Erdaufschüttungen (Wallresten) umschlossen wird. Die Erkennung und Deutung dieser Wallreste als Hauptbestandteile einer Befestigungsanlage aus urgeschichtlicher Zeit wurde erst in den letzten Jahrzehnten aufgrund langjähriger Forschungen zu dieser Problematik möglich. Hierbei sind die Auswertung alter Urkunden, die authentische Aussage alten Kartenmaterials und die noch erhaltenen sprachlichen Überlieferungen zum Namen "Blosenburg" im Erfurter Südostviertel von Bedeutung gewesen. So ist die Geländebezeichnung bzw. die mündliche Überlieferung des Namens "Blosenburg" bis zur Gegenwart geblieben, und halten die Erinnerung an eine Burg wach: z.B. die Gaststätte "Zur Blosenburg", die "Blosenburgstraße", der Kleingartenverein "Am Blosenburghang". Diese Namen sind in jüngster Zeit entstanden (nach 1930), jedoch führen sie nicht zur wirklichen Burganlage hin, weil das neue Kartenmaterial zur Lokalisierung unserer Blosenburg keine klare Auskunft gab. Erst das Studium alten Kartenmaterials im Landesarchiv Gotha führte schließlich zu positiven Ergebnissen zwecks Standortbestimmung einer eventuellen Burganlage. Die erste Urkunde dieser Art war eine Kartenskizze aus dem Jahre 1845 (Abb. 4), in der der Name "Blosenburg" als Hügel eingezeichnet wurde. Durch das Auffinden einer amtlichen Flurkarte von Melchendorf aus dem Jahre 1884 (Abb. 3) konnte eine Bestätigung und Präzisierung der "Blosenburg" für den erwähnten Hügel und seiner nächsten Umgebung erfolgen. Jetzt war ein günstiger Ansatzpunkt gefunden, um mit archäologischen Methoden Untersuchungen durchzuführen. Ziel war es festzustellen, ob es sich um eine aus Steinen gebaute mittelalterliche Burg handelte, da die volkstümliche Auffassung von einer Burg immer in Verbindung mit einem steinernen Großbau gebracht wird. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen bestätigten die Vermutung, dass auf dem Bergsporn keine aus Steinen errichtete Burg stand, sondern dass sich hier einst eine Wallburg aus urgeschichtlicher Zeit mit Erdwällen und Palisadenzäunen befand.

Wer waren die Erbauer und wie lange wurde die Wallburg genutzt?

Im Vergleich mit anderen Wallanlagen in Deutschland kann angenommen werden, dass es Menschen der Bronzezeit (ab 1800 v.u.Z.) waren, die in kollektiver Gemeinschaftsarbeit diese große Anlage errichteten. Diese Vermutung liegt nahe im Hinblick auf das große bronzezeitliche Gräberfeld (Wiesenhügel) und der Siedlungsfunde der wahrscheinlich dazugehörigen bronzezeitlichen Ansiedlung in der Umgebung der Blosenburg. So konnten im Zuge der umfangreichen Baumaßnahmen im Neubaugebiet Erfurt-Südost seit 1982 mehrere Fundplätze aus der bronzezeitlichen Urnenfelderkultur (1200 - 800 v.u.Z) freigelegt werden. Gefunden wurden Bronzeschmuck in Form von Ringen und Nadeln sowie Keramik-Gefäße. Auf dem Blosenburg-Gelände wurden bisher noch keine Funde gemacht, weil diesbezüglich Grabungen noch nicht durchgeführt werden konnten. Aufgrund der acht Flurbezeichnungen, die auf der Karte von 1884 mit dem Namen Blosenburg verbunden sind, ist anzunehmen, dass die Burg bis in frühgeschichtlicher Zeit als Fliehburg genutzt wurde. Nach schriftlichen Überlieferungen baute man Fliehburgen noch im 10. Jh. im damaligen Deutschland. Jährlich einfallende Ungarn-Heere in deutsches Gebiet steigerten das Schutzbedürfnis der Bevölkerung. Bekanntlich hatte Heinrich l. nach 926 umfangreiche Verteidigungsmaßnahmen in Thüringen zum Schutze der Bevölkerung und des Viehs eingeleitet und die Ungarn 933 in Thüringen in einer Schlacht an der Unstrut (bei Riade) geschlagen. Einige textliche Überlieferungen (Monumenta germaniae) aus dem deutschen Mittelalter geben interessante Aufschlüsse über den Burgenbau dieser Zeit - mit Wall und Verhau - die man auch auf unsere Blosenburg übertragen könnte. Das alte Kartenmaterial sagt ferner aus, dass die Blosenburg eine beherrschende Position im Gelände einnahm. Sie könnte eine wichtige Kontroll- und Schutzfunktion für die Handelsstraßen gehabt haben, die in der Nähe der Blosenburg lagen. Es wäre die alte "Böhmische Straße" zu nennen, die von Erfurt über Daberstedt - Melchendorf nach Osten verlief. Sie ist heute unsere Kranichfelder Straße. Eine weitere "Hohe Straße" führte von Norden kommend östlich am Großen Herrenberg vorbei in Richtung Wiesenhügel - Blosenburg. Eine dritte Straße, ebenfalls vom Norden kommend verlief zwischen dem Kleinen und Großen Herrenberg an der Postsiedlung vorbei (unterer Muldenweg) in Richtung unterer Cammermeisterweg - Dolomitenweg zum Ilmer Steig. Diese Wege reichen wahrscheinlich in frühmittelalterliche Zeit zurück, vielleicht sogar bis in die Bronzezeit, als der Handelsverkehr sich ausweitete und das zu sumpfige Erfurter Becken von den Händlern gemieden wurde. Die Blosenburg hatte also auch verkehrsstrategisch eine beherrschende Stellung im südöstlichen Erfurter Gebiet. Man konnte sehr weit die alten Straßen beobachten und sie vor feindlichen Überfällen schützen. Die Fliehburg bot durch den Bergsporn eine sehr günstige natürliche Grundlage für die Verteidigung. Es war eine Verteidigungslinie nach drei Ausfallseiten gegeben. Das innere Gelände der Burg auf dem Bergsporn umfasst etwa 1 ha Grundfläche. Das Schussfeld nach drei Seiten war weit und offen - eine nahezu ideale Anlage. Natürliche Wasserquellen sind im Blosenburgtal (Cammermeisterweg) und im Rabental südlich der Burg vorhanden. Zur Herkunft des Namens "Blosenburg" wäre aus sprachwissenschaftlicher Sicht folgendes zu sagen: Der Name kann slawischen Ursprungs sein oder, was wahrscheinlicher ist, germanischen Ursprungs. Das mittelhochdeutsche Wort "blos" = bloß wird auf "kahl" = kahler Berg, also Blosenburg = kahler Berg gedeutet. Die Bezeichnung als "kahler" Berg wäre verständlich, weil der Berg heute noch kahl und unbewaldet bzw. "bloß" ist.

Lageplan im Neubaugebiet
Kartenausschnitt
Kartenausschnitt der
Gemarkungskarte Melchendorf
von1884 mit eingezeichneten
Erdwällen
Dieses Dokument wurde vom Kulturbund der DDR heraus gegeben und wird heute noch vom Naturschutzamt Erfurt  Staufenbergallee, wenn nicht vergriffen, vertrieben.

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